Viele Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen erledigen derzeit ihren Job von zuhause aus: Der Wecker klingelt später, das Mittagessen kommt nicht aus der Kantinenküche und die Kinderbetreuung ist auch gesichert. Die Vorteile des Homeoffice locken. Auf der anderen Seite gibt es klare Nachteile – auch, was die Karriere betrifft. Mit der vorsichtigen Hoffnung auf ein baldiges Pandemieende treten nun die grundsätzlichen Fragen über die Vor- und Nachteile des Homeoffice erneut in den Fokus. Hier nochmal ein Überblick.
Die wesentlichen Vorteile der Heimarbeit
Vorteil #1: Zeit
Hauptargument für das Arbeiten von zuhause aus ist sicherlich die generelle Zeitersparnis. Während jeder zweite Pendler vor der Pandemie zwischen 30 und 60 Minuten brauchte, um täglich zum Arbeitsort zu gelangen – die Nerven, die einem eine vollgepackte U-Bahn, der unerwartete Stau oder die ewige Parkplatzsuche kosten, lassen sich leider schwer quantifizieren – können im Homeoffice Arbeitende länger ausschlafen, vor dem morgentlichen Meeting in Ruhe die erste Tasse Kaffee genießen. Sinnvoll ist es jedoch, die dazugewonnene Zeit bewusst zu nutzen. Statt längerem Social Media Gescrolle nach dem Aufwachen im Bett, lohnt es sich, eine Runde im Park zu joggen oder zum Bäcker zu spazieren und so fehlende Bewegung auszugleichen.
Vorteil #2: Produktivität
Apropos mehr Zeit: Erinnerst du dich an die aufgeknöpfte Kollegin, die beim Gang in die Kaffeeküche immer an deinem Schreibtisch hielt, um ausgiebig von den Eskapaden des Wochenendes zu berichten? Oder den Neuen im Team, die gerne auch wegen Kleinigkeiten immer noch einmal nachfragen wollte? Natürlich gehört das Socializing am Arbeitsplatz dazu, ist sogar essenziell für ein angenehmes Klima und das Vertrauen innerhalb des Teams. Oftmals reißen einen kurze Unterbrechungen allerdings aus dem Workflow heraus oder lassen Konzentrationsphasen, in denen Anliegendes effizient abgearbeitet werden könnte, gar nicht erst zu. Und so häufen sich gegen Ende des Tages im Büro oft die Dinge, die noch vor Feierabend erledigt werden müssen. Dass lange Bürotage mit Fleiß und Effizienz und das Homeoffice mit Faulenzen, frühen Feierabenden und Unproduktivität gleichgesetzt werden, entpuppt sich als Irrglaube. Entgegen der Befürchtungen vieler Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen nämlich steigerte sich innerhalb der letzten zwei Jahre die Produktivität jedes fünften Unternehmens mit der Einführung des Homeoffice.
Vorteil #3: Flexibilität
Wer kennt sie nicht, die lästige Notiz im Briefkasten mit der Ankündigung des Besuchs des Heizungsstandablesers, der auf, sagen wir, Dienstag 9:30 Uhr bis 14 Uhr anberaumt ist; oder das Paket mit der Kaffeebohnenlieferung, auf die du keinen Tag länger warten kannst, weil der klägliche Rest in deiner Mühle noch die eine, maximal zweite überlebenswichtige Tasse Kaffee am nächsten Morgen herzugeben verspricht. Die Flexibilität, an die wir uns in den letzten zwei Jahren pandemiebedingten Homeoffices so gewöhnt haben, ist für viele nicht mehr wegzudenken. Besonders mit Blick auf die wirklich wichtigen Termine und Verpflichtungen, die den Arbeitsalltag crashen – der Besuch beim ausgebuchten Facharzt, zum Beispiel, oder die Schulaufführung der Tochter, deren Vorbereitung den Rest der Familie bereits seit Wochen in Atem hält. 70% aller deutschen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen fordern, diese Flexibilität im Rahmen von gesetzlich festgelegten Homeoffice-Regelungen auch zukünftig beibehalten zu dürfen.
Vorteil #4: Work-Life Balance
Am sonnigen Fensterplatz des Coworking-Cafés sitzt es sich einfach schöner als im tristen Großraumbüro – und der Kaffee schmeckt auch besser. Durch das Mittagessen mit dem Beziehungspartner, der ebenfalls von zuhause aus arbeitet, ist täglich eine Stunde Zweisamkeit dazugewonnen. Und auch die Katze bekommt endlich ihre regelmäßigen Streichel- und vor allem Futterrationen. Das Homeoffice ermöglicht es, die individuellen Wünsche und Verpflichtungen von Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen besser mit ihrem Arbeitsalltag in Einklang zu bringen. Stichwort: Work-Life Balance. Doch natürlich setzt es auch voraus, dass im eigenen Zuhause genügend Ruhe und Raum für konzentriertes Arbeiten gegeben ist. Denn wenn uns die Pandemie-bedingte Homeoffice-Pflicht, die Schul- und Kitaschließungen eines gelehrt haben, dann dass sich Dichtestress negativ auf den Haussegen und die Produktivität auswirken kann.
Hier also noch Nachteile des Homeoffices im Überblick:
Nachteil #1: Kommunikation
Keine zufälligen Meetings mehr am Kaffeeautomaten, kurze Absprachen mit Kollegen laufen über lange E-Mailfeeds statt über den Schreibtisch und der oftmals unterschätzte Flurfunk fällt auch weg - weniger Kommunikation bedeutet nicht nur weniger Ablenkung sondern auch einen erschwerten Informationsfluss. Vor allem aber birgt der ausbleibende Kontakt zu den Kollegen die Gefahr der Vereinsamung, die sich, da beißt sich die Katze in den Schwanz, wiederum negativ auf die Produktivität auswirken kann. Experten raten daher zu einer Begrenzung des Homeoffice auf zwei bis drei Tage pro Woche.
Nachteil #2: Sichtbarkeit
Wenn der Lieblingskollege fehlt, der einen mitzieht, wenn man in der Eigenbrötlerei die Ergebnisse der Arbeit kaum mehr sieht, weil der Blick für das Ganze fehlt, und wenn es zunehmend unwichtiger scheint, wann etwas erledigt wird, schwindet die Motivation. Ständige Sichtbarkeit vor Chefs und Kollegen kann anstrengen, aber eben auch motivieren. Ebenfalls nicht zu unterschätzen: fehlende Sichtbarkeit kann dazu führen, dass Kollegen, die im Homeoffice arbeiten, bei Gehaltserhöhungen und Beförderungen oft übergangen werden.
Nachteil #3: Ablenkung
Das schreiende Kind, klingelnde Paketboten, die unaufgeräumte Küche und die Untiefen des World Wide Webs – Ablenkungsfaktoren gibt es am heimischen Schreibtisch en masse. Klare Regeln und Selbstdisziplin sind unabdingbar, sonst leidet schnell die Produktivität. Es gilt also, Zeiten festzusetzen und einzuhalten, Bekannte auch mal zu vertrösten und dem Nachbarn klarzumachen, dass man gerne mal ein Paket entgegennimmt, aber nicht die Packstationen ersetzen möchte.
Nachteil #4: Vermischung Berufliches und Privates
Vom Bett direkt an den Schreibtisch stolpern, die Arbeitsutensilien liegen stets griffbereit, beim Fernsehabend in der Werbepause kurz nochmal E-Mails checken. Wer von zu Hause aus arbeitet hat es schwer, anderen und vor allem sich selbst gegenüber klare Grenzen zu setzen. Berufliches und Privates fließen zunehmend ineinander. Auch und vor allem Heimarbeiter brauchen fest definierte Arbeitszeiten und separierte Arbeitsbereiche.